Bernd Rompf Berlin, den 14.08.2008
Am Grünen Anger 47
12487 Berlin-Johannisthal
Tel.: 030-6316826
Büro der Bezirksverordnetenversammlung
Treptow-Köpenick
z.H. Herrn Sebastian Ebel
PF 910240
12435 Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren,
mit großer Überraschung und Befremden musste ich aus einem Artikel von Herrn Ralf Drescher in der Berliner Woche, Lokalausgabe Treptow Nr. 33 vom 13. August 2008 erfahren, dass die Vertreter der SPD und DIE LINKE, sowie die FDP-Verordneten Förster und Ibsch und der Einzelbezirksverordnete Thuge von der Allianz Graue Panther eine Umbenennung der Waldstraße in Johannisthal anstreben und verwirklichen wollen.
Abgesehen von den finanziellen Nachteilen und den ganzen persönlichen Veränderungen der Anwohner, seien es Geschäftsleute und auch private Anwohner, sollte man sich mit der Historie dieser „Waldstraße“ einmal befassen. Es gibt wohl im ehemaligen Bezirk Treptow noch zwei weitere Waldstraßen, deren Bedeutung aber historisch nicht so hervorzuheben ist. Ich möchte Ihnen als gebürtiger Johannisthaler (1932), Ortschronist von Johannisthal und Mitglied des Fördervereins für das Heimatmuseum Treptow e.V. die historische Bedeutung der Waldstraße erläutern:
Die Waldstraße von Johannisthal wurde 1892 als Ortsgrenze im Norden des Ortes als Abgrenzung gegenüber den damaligen fiskalischen Köpenicker Forst angelegt. Sie ist mit eine der ältesten Straßen von Johannisthal, mit ihrem Namen „Waldstraße“. Auf der nördlichen Straßenseite entstand eine Villengegend mit Doppelhäusern, Waldstraße Nr. 24 bis Nr. 40, erbaut 1924/1925 nach Entwürfen von Prof. Dr. N. Soeder für die „Gesellschaft zur Förderung von Bauproduktiv-Genossenschaften“. Es sind zweigeschossige Putzbauten, die in einer als „AMBI-Massiv-Bauweise“ bezeichneten Sparbauweise, mittels Hohlblocksteinen, errichtet wurden. Die Häuser zählen zu den ersten „kubistischen Häusern“ in Berlin, die Einzelformen sind ausdrucksvoll gestaltet: Die Schornsteine und Fenster sind breiter als hoch, die abgerundeten Doppelbalkone sind sehr breit gestreckt. Die Hausecken in Form sich verjüngender Stützpfeiler, lassen die Häuser nach oben breiter erscheinen. Die Vordächer über den Hauseingängen sind spitzwinklig und über dem kräftigen Dachgesims befindet sich ein abgewalmtes Bohlenbinderdach mit Schleppgauben. Jedes zweite Doppelhaus steht zurückgesetzt. Die vorderen Häuser waren dunkelgrün und die hinteren ockerfarbig.
In diesen Häusern wohnten einst vorrangig Beamte, wie: Stadt- und Regierungsräte, Ministerial- und Reichsbahnoberräte, sowie Direktoren von Banken. Im Haus Nr. 38, zweites Haus vom Sterndamm kommend, wohnte von 1937 bis 1945 der bekannte Zoologe, Tierforscher und Direktor des Berliner Zoos, „Prof. Dr. Bernhard Grzimek“. Berühmt wurde er nach 1945 durch seine Forschungsreisen in Afrika und als Direktor des Zoologischen Gartens in Frankfurt am Main. Vom Johannisthaler Park aus konnte man einen Blick in seinen Garten werfen und viele der dort gehaltenen Tiere beobachten.
Nach 1945 wurden die Häuser von der sowjetischen Militärverwaltung bewohnt. Nach dem Auszug der Sowjets aus den Häusern, im Jahre 1949, waren die neuen Bewohner vorrangig Menschen, die unter dem Nationalsozialismus Repressalien ausgesetzt waren. So wohnten der spätere Oberbürgermeister von Ost-Berlin, Friedrich Ebert mit seiner Familie im Haus Nr. 29, dem Haus seiner Mutter, der Witwe des früheren Reichspräsidenten Friedrich Ebert; der Lehrer und spätere Dekan der pädagogischen Fakultät der Humboldt Universität, Prof. Heinrich Deiters mit seiner Familie im Haus Nr. 33 und der Rechtsanwalt und spätere Vorsitzende der Partei DIE LINKE, Dr. Gregor Gysi, mit seiner Familie im Haus Nr. 37.
Die mehretagigen Mietshäuser auf der südlichen Straßenseite entstanden um 1900, etwa zu Beginn der Blütezeit von Johannisthal.
Das im Berliner Straßengesetz festgeschrieben ist, dass die Zahl der mehrfach benannten Straßen reduziert werden soll, mag alles richtig sein. Dieses Gesetz bezieht sich aber vorrangig auf neuanzulegende Straßen. Gegenüber der anderen beiden Waldstraßen im Bezirk Treptow, hat die Waldstraße in Johannisthal, in ihrer historischen Bedeutung wohl den Vorrang. Die kubistische formalistische Kunstrichtung entstand um 1908/09, als deren Begründer wird Picasso angesehen.
Um die erwähnte SPD-Genossin Minna Todenhagen, als Mitbegründerin und langjährige Engagierte der Arbeiterwohlfahrt zu ehren, bieten sich gute Gelegenheiten im Zuge der Entwicklung der Wissenschaftsstadt Adlershof an. Auch eine der beiden anderen Waldstraßen im Bezirksbereich Treptow, in Adlershof bzw. in Bohnsdorf eignen sich für eine Umbenennung im Rahmen des Berliner Straßengesetzes. Ich möchte noch erwähnen, dass es im Bezirksbereich Treptow noch weitere mehrfach benannte Straßen gibt, so der Birkenweg, die Fließstraße, die Grünauer Straße, die Hoffmannstraße, die Köpenicker Straße und die Rudower Straße.
Ich möchte Sie bitten, bei der Entscheidung die historische Entwicklung dieser Waldstraße nicht zu negieren und von der Umbenennung der Johannisthaler Waldstraße Abstand zu nehmen.
Ich werde mich als alter Johannisthaler und Ortschronist von diesem Ort stets gegen eine Umbenennung einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen
Bernd Rompf
Ortschronist